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  • 07. November 2024 ― Lesezeit: 5 Minuten
    Julia Kerkhoff, Studentin der Humanmedizin

    Vestibuläre Migräne

    Die vestibuläre Migräne ist eine Form der Migräne, die mit starkem Schwindel einhergeht. Das Vestibularorgan ist maßgeblich an der Entstehung der Symptome beteiligt, weil dieser Teil des Innenohrs für das Gleichgewicht verantwortlich ist. Die Symptome dauern zwischen fünf Minuten und bis zu 72 Stunden. Sie treten episodisch in Form von Attacken auf. Lesen Sie hier mehr zu Auslösern, Symptomen, Behandlung und Prognose der vestibulären Migräne.

    Kurzübersicht
    • Beschreibung: Die vestibuläre Migräne ist eine Form der episodischen Migräne. Sie betrifft das Vestibularorgan im Innenohr.
    • Symptome: Das Leitsymptom der vestibulären Migräne ist Schwindel. Zusätzlich treten allgemeine Migräne-Symptome auf, darunter Kopfschmerzen, Lärm- und Lichtscheu.
    • Behandlung: Die Behandlung lehnt sich ebenfalls an die allgemeine Migräne-Therapie an: Antiemetika, Schmerzmittel und Triptane sind häufig eingesetzte Medikamente. Zusätzlich helfen besonders bei der vestibulären Migräne Fluranizin und Carboanhydrasehemmer.
    • Krankheitsverlauf und Prognose: Eine Attacke kann zwischen fünf Minuten und drei Tagen anhalten. In welchen Abständen diese Migräne-Anfälle auftreten, ist unterschiedlich. Migräne ist nicht heilbar, kann aber durch vorbeugende Maßnahmen eingedämmt werden.
    • Ursachen: Zu den Auslösern der vestibulären Migräne gehören Stress, ein gestörter Schlafrhythmus, Lebensmittel und hormonelle Schwankungen. Inzwischen konnte man auch eine genetische Komponente nachweisen, die mitverantwortlich ist.

    Vestibuläre Migräne: Beschreibung

    Die vestibuläre Migräne ist eine Unterform der episodischen Migräne. Das bedeutet, dass sie attackenweise auftritt und nach einigen Minuten bis maximal drei Tagen wieder abklingt. ?Vestibulär? bedeutet, dass das Gleichgewichtsorgan im Innenohr an den Beschwerden beteiligt ist.

    Früher bezeichnete man die vestibuläre Migräne auch als Migräne-assoziierten Schwindel, migränebedingte Vestibulopathie und migränösen Schwindel.

    Manchmal ist die vestibuläre Migräne von anderen Erkrankungen des Innenohrs schwierig zu unterscheiden. Zu den Differentialdiagnosen ? also den Krankheitsbildern, die der vestibulären Migräne ähneln ? gehören unter anderem:

    • Morbus Menière: Betroffene weisen oft ebenfalls Migräne-Symptome auf. Zusätzlich leiden sie unter Hörverlust, Tinnitus und Ohrendruck. Diese Symptome verschlimmern sich im Laufe der Erkrankung.
    • Transitorisch ischämische Attacken (TIAs): TIAs betreffen meist ältere Patientinnen und Patienten. Die Symptome (Sprachschwierigkeiten, Verwirrtheit, Sehverlust besonders auf einem Auge, Schwindel, Gleichgewichts- und Koordinationsverlust) halten zwischen wenigen Minuten und mehreren Stunden an.
    • Vestibularisparoxysmie: Durch Nervenkompression kommt es bei der Vestibularisparoxysmie zu Schwindel-Attacken, die einige Sekunden andauern. Diese Attacken treten bis zu 100-mal am Tag auf. Zusätzlich ? und von den Schwindel-Attacken unabhängig ? klagen Betroffene über anfallsartige auftretende Beschwerden wie Ohrendruck, Hörminderung und Tinnitus.
    • Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPLS): Bei BPLS kommt es zu kurzen Schwindel-Attacken, sobald der Kopf bewegt wird. Die Beschwerden treten unter anderem beim Aufstehen, Hinlegen, Umdrehen und Aufrichten auf und werden von einem rhythmischen ?Augenzittern? begleitet (Nystagmus). Endet die Bewegung, endet auch der Schwindel. Bis zur nächsten Bewegung sind die Betroffenen beschwerdefrei.
    • Psychogener Schwindel: Dieser Schwindel ist die Folge einer Angststörung. Daher tritt er besonders situativ auf, also bei sehr pessimistischen, katastrophisierenden Gedanken, bei extremer Angst, Herzrasen, Luftnot und bei Muskelzittern (Tremor).
    • Orthostatische Hypotonie: Wenn das Blut beim Aufstehen in den Beinen versackt, sinkt bei den Betroffenen der Blutdruck. Dann spricht man von einer orthostatischen Hypotonie. Direkt nach dem schnellen Aufstehen kommt es zu einer kurzen Benommenheit, zu Schwindel und Sehstörungen.

    Die vestibuläre Migräne betrifft etwa ein Prozent der mitteleuropäischen, erwachsenen Bevölkerung. Frauen sind im Allgemeinen häufiger betroffen als Männer. Die vestibuläre Migräne ist nicht an ein Alter gebunden, sondern tritt in jeder Altersgruppe auf.

    Vestibuläre Migräne: Symptome

    Das Hauptsymptom der vestibulären Migräne ist Schwindel. Dieser kann sich als Drehschwindel äußern, als lageabhängiger Schwindel oder als Kopfbewegungsintoleranz. Daher heißt die vestibuläre Migräne im Volksmund auch ?Schwindelmigräne?. Schwindel tritt zwar auch bei anderen Arten von Migräne auf, ist aber nie so charakteristisch wie bei der vestibulären Migräne.

    Beim Drehschwindel haben die Betroffenen das Gefühl, sich ununterbrochen auf einem Karussell zu befinden. Beim lagerungsabhängigen Schwindel hängt die Symptomstärke von der Position des Kopfes im Raum ab. Die Kopfbewegungsintoleranz gibt den Betroffenen das Gefühl, seekrank zu sein, sobald sie ihren Kopf bewegen. Wird der Kopf für längere Zeit nicht bewegt, verflüchtigt sich der Schwindel bis zur nächsten Kopfbewegung.

    Bei einigen Patienten und Patientinnen werden die Schwindel-Attacken auch von visuellen Signalen beeinflusst: Die Ansicht bewegter oder besonders komplexer Muster mit vielen Farben und Formen lösen den Schwindel aus. Die Teilnahme am Straßenverkehr, ein Kinobesuch und das Einkaufen im Supermarkt sind oft besonders herausfordernd für Betroffene.

    Eine Schwindel-Attacke kann zwischen wenigen Sekunden und mehreren Tagen andauern. Bei etwa der Hälfte aller Betroffenen halten die Attacken Stunden bis Tage an.

    Ein temporärer Zusammenhang zwischen Schwindel und migränetypischen Kopfschmerzen ist nicht immer vorhanden: Manche Betroffene haben Kopfschmerzen während der Schwindel-Attacken. Andere leiden unter Schwindel, ohne jedoch Kopfschmerzen zu haben. Die meisten Patienten weisen allerdings beide Symptome auf ? zeitlich allerdings oft unabhängig voneinander.

    Neben dem Schwindel gibt es weitere Symptome, die das Beschwerdebild der vestibulären Migräne vervollständigen:

    • Oszillopsien: Bei Oszillopsien handelt es sich um Scheinbewegungen der Umwelt. Patienten glauben, dass ihr Umfeld sich bewegt, tatsächlich ist es aber unbewegt.
    • Übelkeit, Erbrechen
    • Gangunsicherheit: Da bei der vestibulären Migräne das Vestibularorgan (Gleichgewichtsorgan) im Innenohr betroffen ist, kommt es zu Gleichgewichtsstörungen, die sich als Gangunsicherheit zeigen.
    • Migräne-Symptome: Dazu gehören Kopfschmerzen, Lärm- und Lichtscheu sowie häufiges Wasserlassen.
    • Auditive Symptome: Das betroffene Vestibularorgan befindet sich im Innenohr, sodass auch das Gehör betroffen sein kann. Die Beschwerden äußern sich als Hörminderung, Tinnitus oder Ohrendruck.
    • Keine Verschlimmerung der Hörminderung im Laufe der Erkrankung: Im Gegensatz zu Morbus Menière verschlechtert sich die Hörleistung bei der vestibulären Migräne mit der Zeit nicht weiter.

    Vestibuläre Migräne: Behandlung

    Eine gesunde Lebensführung ist die beste Maßnahme, um die vestibuläre Migräne erfolgreich zu behandeln. Vermeiden Sie Migräne-Auslöser (Trigger), achten Sie auf ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und vergessen Sie nicht, genügend zu trinken. Versuchen Sie außerdem, regelmäßige Arbeitspausen einzubauen, Sport zu treiben und ein Entspannungsverfahren zu lernen ? das reduziert Stress und erhöht die Lebensqualität.

    Dauern die Attacken länger als 30 Minuten, kann man über eine medikamentöse Therapie nachdenken. Der Grund: Es dauert im Durchschnitt etwa eine halbe Stunde, bis das Medikament seinen Zielort erreicht und es zum Wirkungseintritt kommt.

    Bei der Behandlung von vestibulärer Migräne setzt man auch auf Substanzen, die bestimmte Symptome lindern. Antiemetika wie Metoclopramid und Domperidon wirken zum Beispiel gegen die Übelkeit, die das Schwindelgefühl oft begleitet.

    Generell wirksam gegen Migräne sind Triptane. Diese Medikamente bekämpfen gezielt die Migräne und wirken nicht symptomatisch, indem sie beispielsweise den Schmerz betäuben wie übliche Analgetika.

    Allerdings verbessern natürlich auch klassische Schmerzmittel (Analgetika) den akuten Zustand, indem sie die Schmerzen beseitigen. Zu den häufig eingesetzten Schmerzmitteln gehören vor allem Ibuprofen und ASS.

    Bei der vestibulären Migräne helfen auch andere Medikamente, die generell bei Migräne eingesetzt werden.

    Außerdem hat man herausgefunden, dass bei manchen Betroffenen ein Magnesiummangel vorliegt. In diesen Fällen kann die Einnahme von Magnesium die Symptome der vestibulären Migräne lindern.

    Prophylaxe

    Besonders geeignet zur Vorbeugung (Prophylaxe) ist der Calciumkanalblocker Flunarizin. Flunarizin blockiert besagten Calciumkanal im Innenohr und wirkt so direkt am Vestibularorgan. Als Nebenwirkungen können Gewichtszunahme, Müdigkeit und Appetitsteigerung auftreten. Patienten und Patientinnen, die an Depressionen leiden, dürfen Flunarizin nicht einnehmen.

    Acetazolamid und Diclofenamid sind Carboanhydrasehemmer, die bei der Vorbeugung von vestibulärer Migräne ebenfalls gute Ergebnisse erzielen. Die Carboanhydrase ist ein Enzym, das eine chemische Reaktion im Körper fördert. Carboanhydrasehemmer blockieren genau diese Reaktion. Dadurch sinken der Blutdruck und der Hirndruck und die Wasserausscheidung erhöht sich.

    Sie müssen diese Medikamente einschleichen und mindestens drei Monate einnehmen, bevor Sie zusammen mit Ihrem behandelnden Arzt ein Fazit ziehen können. Besprechen Sie mit ihm außerdem regelmäßig die Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen.

    Zur Vorbeugung sind grundsätzlich alle Methoden geeignet, die generell bei Migräne eingesetzt werden. Man sollte sich aber bewusst machen, dass Prophylaxe-Maßnahmen die Migräne-Tage zwar um etwa die Hälfte reduzieren, aber die Migräne meist nicht komplett verhindern können.

    Vestibuläre Migräne ? Krankheitsverlauf und Prognose

    Die Symptome der vestibulären Migräne dauern zwischen fünf Minuten und 72 Stunden. Die Beschwerden klingen bis zum nächsten Migräne-Anfall komplett ab und halten nie länger als drei aufeinanderfolgende Tage und keinesfalls wochenlang an.

    Mithilfe von geeigneten Prophylaxe-Maßnahmen lassen sich die Migräne-Tage meistens um etwa die Hälfte reduzieren. Trotzdem kommt es immer wieder zu episodischen Migräne-Anfällen, das lässt sich kaum vermeiden. Vielen Betroffenen gelingt es aber, ihre individuellen Auslöser (Trigger) aufzudecken und oft auch zu vermeiden, oder sie finden einen Weg, um mit den Symptomen umzugehen.

    Vestibuläre Migräne ist nicht heilbar. Dennoch gibt es immer wieder Fälle, bei denen es zu einer Spontanremission kommt. Viele Patientinnen und Patienten haben jedoch immer wieder Migräne-Anfälle. Kommen Migränepatientinnen in die Wechseljahre, lassen die Kopfschmerzen oft nach und der Schwindel tritt alleine auf.

    Vestibuläre Migräne: Ursachen

    Die Auslöser der vestibulären Migräne unterscheiden sich nicht von den Ursachen der ?klassischen? Migräne. Die folgenden Trigger finden sich daher auch bei vestibulärer Migräne:

    • Stress
    • Gestörter Schlafrhythmus
    • Lebensmittel wie Rotwein, Käse, dunkle Schokolade
    • Geschmacksverstärker wie Glutamat
    • Hormonelle Schwankungen, besonders im Rahmen der weiblichen Menstruation

    Bei den meisten Betroffenen sind die Auslöser jedoch individuell verschieden. Eine spezifische Ursache konnte man bislang nicht nachweisen. Man geht jedoch davon aus, dass es eine zusätzliche genetische Komponente gibt bei vestibulärer Migräne.

    Weitere Informationen zu den typischen Triggern und wie sich diese zum Beispiel mithilfe eines Migräne-Tagebuches identifizieren lassen, finden Sie im ausführlichen Beitrag zu Migräne.


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