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  • 12. März 2024 ― Lesezeit: 3 Minuten
    Florian Tiefenböck, Arzt
    Sabine Schrör, Medizinjournalistin

    Tuberkulose-Impfung

    Bis Ende des 20. Jahrhunderts (1990) gab es eine Tuberkulose-Impfung. Das Nationale Impfgremium (NIG) empfiehlt allerdings heutzutage keine Impfung mehr: Zum einen kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Komplikationen. Zum anderen treten in Österreich nur noch wenig Tuberkulose-Fälle auf. Lesen Sie hier alles Wichtige zur Tuberkulose-Impfung.

    Der Tuberkulose-Impfstoff

    Bei der Impfung gegen Tuberkulose wird ein abgeschwächter Stamm des Krankheitserregers (Mycobakterien) verwendet. Es handelt sich also um eine Lebendimpfung.

    Anfang des 20. Jahrhunderts züchteten die französischen Wissenschaftler Albert Camette und Camille Guérin Mycobacterium bovis, das insbesondere bei Rindern vorkommt. Die Erreger vermehrten sich auf einem speziellen Nährboden. Durch diesen verringerte sich die Schädlichkeit der Tuberkulose-Erreger. 1921 entwickelten die beiden Forscher daraus schließlich die Tuberkulose-Impfung. Der Impfstoff wurde nach seinen Entdeckern BCG-Impfstoff (BCG für Bacillus Calmette-Guérin) genannt.

    Anwendung der Tuberkulose-Impfung

    Der BCG-Impfstoff wird ausschließlich in die Haut gespritzt (intrakutane Injektion). Neugeborene und Säuglinge bis zur sechsten Lebenswoche dürfen direkt geimpft werden.

    Bei Kindern, die älter als sechs Wochen sind, wird zuvor der Tuberkulintest nach Mendel-Mantoux durchgeführt. Dabei spritzt man eine geringe Dosis des Tuberkulose-Eiweißes Tuberkulin in die Haut. Tritt an dieser Hautstelle nach 48 bis 72 Stunden keine oder eine sehr geringe gerötete Verhärtung auf, ist der Test negativ. Nur dann darf auch bei diesen Kindern eine Impfung erfolgen.

    Ob die Tuberkulose-Impfung erfolgreich war, zeigt erneut der in manchen Ländern durchgeführte Tuberkulin-Test nach Mendel-Mantoux. Frühestens drei Wochen nach der Impfung sollte der Test positiv ausfallen. Es zeigt sich dann eine deutliche Verhärtung und Rötung an der Einstichstelle der Haut.

    Der Tuberkulintest ist auch noch Jahre nach einer erfolgten Tuberkulose-Impfung positiv. Daher sollte man den Arzt oder die Ärztin immer über durchgeführte Impfungen informieren. Fällt der Test hingegen negativ aus, wird nachgeimpft.

    Wirksamkeit der Tuberkulose-Impfung

    Dass eine BCG-Impfung Tuberkulose-Erkrankungen immer verhindert, ist nicht der Fall. Sie schützt weder vor einer Ansteckung noch vor der Weiterverbreitung der Erreger. Auch der Krankheitsverlauf einer Infektion wird bei Erwachsenen, die die Impfung erhalten haben, nur geringfügig beeinflusst.

    Allerdings haben Studien gezeigt, dass die Impfung bei Kindern einen hohen Nutzen hat. So schützt die BCG-Impfung Kinder unter drei Jahren vor einer Lungentuberkulose und Kinder unter fünf Jahren gegen alle Formen der Tuberkulose.

    Nebenwirkungen der Tuberkulose-Impfung

    Da bei dieser Impfung Tuberkulose-Erreger verwendet werden, die zwar abgeschwächt sind, aber noch leben, kann sie zu Tbc-ähnlichen Beschwerden führen. Die häufigsten Nebenwirkungen der Tuberkulose-Impfung sind Schmerzen, flächige Rötungen (Erytheme), Verhärtungen, Gewebsschäden und Narbenbildung an der Einstichstelle.

    Zu den Gewebsschäden kommt es vor allem dann, wenn der Impfstoff nicht in, sondern unter die Haut, also subkutan, gespritzt wird.

    Unter Umständen kann sich infolge einer subkutanen Impfung auch eine Entzündung und Schwellung von Lymphknoten entwickeln. Diese sogenannte Lymphadenitis kann bei einer von 1000 BGC-Impfungen auftreten.

    In seltenen Fällen kommt es zu einer allergischen Entzündung der Augen. Sehr schwere Komplikationen wie eine Entzündung des Knochenmarks oder eine Hirnhautentzündung als Folge der Impfung treten kaum auf.

    Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

    Nicht jeder Mensch kann gegen Tuberkulose geimpft werden: Patientinnen und Patienten, die bereits an Tbc erkrankt sind oder bei denen der Tuberkulintest positiv ausfällt, dürfen nicht geimpft werden. Der Impfstoff enthält lebende Bakterien, die eine schon bestehende Infektion verschlimmern würden. Aus diesem Grund werden auch Menschen mit geschwächtem Abwehrsystem, zum Beispiel HIV-Kranke, nicht gegen Tuberkulose geimpft. Gleiches gilt für Schwangere sowie Patienten, deren Immunsystem medikamentös unterdrückt wird (etwa nach einer Organtransplantation).

    Aktueller Stand der Tuberkulose-Impfung

    Der BCG-Impfstoff wurde in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt. Ein Grund für die verzögerte Verwendung war unter anderem das Lübecker Impfunglück im Jahr 1930 in Deutschland. Von 256 geimpften Kindern starben damals 77 ? durch eine fehlerhafte Verarbeitung des Impfstoffes steckten sich die Kinder mit Tuberkulose an.

    Seit 1990 wird die Tuberkulose-Impfung vom Nationalen Impfgremium (NIG) in Österreich nicht mehr empfohlen. Der BCG-Impfstoff ist in Österreich weder zugelassen noch erhältlich. Damit folgen die Experten einem Vorschlag der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Demnach ist es unnötig, pauschal gegen Tuberkulose zu impfen, wenn das Infektionsrisiko in der jeweiligen Bevölkerungsgruppe unter 0,1 Prozent liegt. Zur Veranschaulichung: Im Jahr 2022 gab es 372 gemeldete Tuberkulose-Erkrankungen in Österreich. Das entspricht etwa 4,09 Fällen pro 100.000 Einwohner bzw. einer durchschnittlichen Neuerkrankungsrate von ungefähr 0,00040 Prozent.

    Neue Impfstoff-Forschung

    Seit einigen Jahren forschen Wissenschaftler weltweit daran, mit neuen Impfungen Tuberkulose-Infektionen erfolgreich einzudämmen. Dabei wird beispielsweise versucht, die Wirkung des bisherigen BCG-Impfstoffs durch einen weiteren Impfstoff zu steigern.

    Ein anderer Ansatz besteht darin, den alten BCG-Impfstoff zu verbessern. So wurde vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie der Impfstoff VPM 1002 entwickelt. Dieser soll insbesondere bei Säuglingen und immungeschwächten Erkrankten besser wirken. Er enthält ebenfalls den Erreger-Stamm Mycobacterium bovis. Das Erbgut dieser Erreger wurde aber so verändert, dass sie vom menschlichen Abwehrsystem besser erkannt werden. Erste Studien zeigen, dass der Impfstoff bei Neugeborenen sicher ist und im Vergleich zum BCG-Impfstoff weniger Nebenwirkungen hat. In aktuellen Studien wird getestet, wie gut der Impfstoff vor einer Tuberkulose-Erkrankung schützt.


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